What’s in a Name?

Eine Betrachtung zum Wildwuchs des "Markengrabbing" im Internet

Ein Aufschrei ging vor einigen Jahren durch die Reihen DFÜ-interessierter Computerfreaks. Nach diversen, fast schon halblegalen Abmahnaktionen gegen Raubkopierer hatte sich Freiherr Günter von Gravenreuth auf einen armen Mailboxbetreiber gestürzt, der es gewagt hatte, seine Mailbox "Rainbow BBS" zu nennen. Gravenreuth vermutete dort ein Vergehen gegenüber seines Mandanten "Rainbow Arts". Schließlich legte die Namensgleichheit nahe, daß es sich um eine offizielle Box von jener Firma handeln könnte. Also flugs eine Abmahnung mit Kostenrechnung rausgeschickt.

Doch auch die nachfolgende Umbenennung der Mailbox in "Rainbox" konnte ihn nicht so ganz glücklich stimmen, auch hier war die Namensähnlichkeit seines Erachtens noch zu groß. Das ganze ging schließlich bis vor Gericht, wo der Mailbox-Betreiber (teilweise nicht ganz unschuldig am endgültigen Ausgang) schließlich und endlich unterlag.

Schon damals faßten sich wohlinformierte Computerfreaks an den Kopf und fragten sich, was denn das solle, zumal in dem Fall die Mailbox eindeutig – sofort nach dem Einloggen – als private, nicht-kommerzielle Mailbox zu erkennen war. Auch unkten einige, daß das Dicke Ende erst noch käme. Und zuletzt distanzierte sich sogar Rainbow Arts von F.v.G.’s Aktion.

Mitlerweile haben wir das Jahr 1999. Zwischenzeitlich haben einige – vor allem durch F.v.G. initiierte – Abmahnaktionen mehr oder weniger Staub aufgewirbelt. Bekannte Beispiele: Die Verwechselungsgefahr des "Triton-Chipsatzes" mit der Marke "Tricon" (einer nicht einmal artverwandten Firma aus Holland – von der in Deutschland vor der Aktion nie jemand etwas gehört hat). Hier wurde auch wieder einmal der Ruf laut, daß F.v.G. zu dem "Verstoß" angestiftet hätte, da einige der abgemahnten Händler Anfragen mit dem ausdrücklichen Wunsch, das Vorhandensein des Triton-Chipsatzes zu bestätigen, erhalten hatten. Dies wurde allerdings nie nachgewiesen. Interessanterweise mahnte F.v.G. große Firmen diesmal (wie auch später) nicht ab, so verwendet beispielsweise Microsoft den Begriff "Triton" weiterhin "ungestraft". (siehe: Heise)

An anderer Stelle versuchte die Firma Topware AG, allen Voran deren Aufsichtsratvorsitzender und Anwalt Nikolaus Steinhövel, Inhabern von Domainnamen, die mit "D-" oder "de-" beginnen, diese streitig zu machen. Er war der Meinung, daß durch vorliegende Markeneinträge mehrerer "D-"-Produkte ein "Serienschutz" vorliegen würde, und somit Adressen wie "d-radio.de" oder ähnliche auch hier die Rechte von Topware verletzen würden. Glücklicherweise wurde dies vom LG Berlin recht schnell abgewiesen. Ansonsten müßte man wohl befürchten, daß innerhalb kurzer Zeit alle Buchstaben des Alphabets vergeben wären und dann keine Domains mehr genutzt werden können (es lebe die IP-Adresse! Besonders mit IPV6!). (siehe: akademie.de und online-recht.de)

Doch damit gab sich Steinhövel noch nicht geschlagen. Als Topware das Spiel "Emergency" herausbrachte und dafür Titelschutz erwirkte, war ihm plötzlich die Domain "emergency.de" ein Dorn im Auge – schließlich hatte er den Titel registriert und sah sich selbst damit als rechtmäßigen Besitzer der Domain. Diesmal urteilte in letzter Instanz das LG Hamburg, jedoch erst nach 10-monatigem Rechtsstreit, im Sinne der eigentlichen Besitzer.

Für das jüngste Beispiel in der nationalen Hatz gegen ach so böse Verbrecher, die einfach so fremde Marken- oder Titelnamen mißbrauchen hat wieder einmal F.v.G. gesorgt. In einem Rundumschlag gegen eine Reihe kleinerer Provider mahnte er die Nutzung des Wortes "Webspace" im Zusammenhang mit der Bereitstellung von Webspace ab, welches sein Mandant Klaus Thielker im Juni 1999 hat schützen lassen. Wie auch schon früher waren hier große Anbieter wie UU.net oder X-link nicht betroffen, selbst auf Gravenreuth’s Webseiten war der Begriff zu finden. Doch diesmal hatte F.v.G. kein Glück – und auch auf die Qualität der Tätigkeiten des Deutschen Patent- und Markenamt wirft dies kein gutes Licht: Schließlich wurde die Marke "Webspace" bereits 1996 der Firma "Whats Up" zugesprochen. Diese mahnte daraufhin F.v.G. erfolgreich ab und betonte gleichzeitig, daß sie keine ähnlichen Schritte wie vorher F.v.G. vorhabe. (Zitat von der Website von Whats Up: "Die What’s Up AG weist ausdrücklich daraufhin, daß diese Vorgehensweise keineswegs ihren Geschäftsgepflogenheiten entspricht. ")

Um so unverständlicher die Reaktion des DPMA: Zwar gibt es auf einer Webseite zu, nicht auf dem Laufenden zu sein, was umgangssprachliche Begriffe angeht, und indirekt wird auch eingestanden, daß Webspace sicher dazu gehört. Eine Löschung unbürokratisch – und vor allem kostenlos – vorzunehmen weigert es sich dennoch. So bleibt denn eigentlich nur, eine kostenpflichtige Löschung zu beantragen – es muß also jemand für die Unfähigkeit des DPMA zahlen, die eigenen Unterlagen sorgfältig zu prüfen.

Der neuste absurde Versuch, Umgangssprache oder umgängliche Begriffe rechtlich zu schützen, ging gerade kürzlich durch das Netz: So hatte AOL in den USA gegen AT&T geklagt, um denen die Nutzung von Redewendungen wie "You have mail" zu verbieten. Glücklicherweise ließ sich das Gericht nicht davon abbringen, diese Klage abzuweisen.

Im vorletzten Jahr des Jahrtausends sind wir also an einem Punkt angelangt, da Namen beim besten Willen nicht mehr "Schall und Rauch" sind. Wird demnächst der Duden nicht nur mit der neuen Rechtschreibung, sondern noch gleich mit einem 20-bändigen Anhängsel "registrierte Marken und Titel, die nur noch durch die Inhaber oder deren Lizenznehmer genutzt werden dürfen" ausgeliefert? Müssen wir bald die "Space"-Taste in der Textverarbeitung so programmieren, daß automatisch hinter jedem Wort ein "TM" ausgegeben wird?

Gerade der Streit um den Begriff "Webspace" hat gezeigt, daß das deutsche Beamtentum einmal mehr nachweislich hinterher hinkt, daß dort anscheinend niemand im Rahmen einer Anmeldung daran denkt, eine Suchmaschine wie Altavista auf einen zu registrierenden Begriff loszulassen. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Textes findet Altavista etwa 613.280 Webseiten (Dezember 2005: Google findet fast 6 Millionen Links!), auf denen der Begriff genutzt wird – selbst wenn man eine Verdoppelung jeden Monat ansetzen würde, konnten Anfang Juni, als der Begriff zum zweiten Mal registriert wurde, unmöglich weniger als 150.000 Dokumente von Altavista gefunden werden.

Weiterhin ist auffällig, daß der Initiator der Webspace-Eintragung die Abmahnungen nicht etwa sofort nach der Eintragung verschicken ließ, nein, er wartete, bis die Einspruchsfrist abgelaufen war (6 Wochen). Ob da nicht etwa nur rein finanzielle Interessen hinter der Aktion standen? Honi soit qui mal’y pense …

Doch daß das Patentamt nicht einmal dazu in der Lage ist, die doppelte Vergabe einer Eintragung zu bemerken, verdient wirklich den Orden der Unfähigkeit am Bande. Sicher – nicht über aktuelle Medien wie das Internet zu verfügen ist heute die Standardentschuldigung (teilweise sicher zu Recht) vieler (fast aller?) Behörden und Ämter in Deutschland. Doch sollte man doch erwarten, daß ein gründlicher, deutscher Beamter zumindest seine eigenen Akten kennt. Sollte da nicht ein Griff in die Registratur ausreichen, um festzustellen, daß jemand anderes schneller war? Oder sollte etwa der Schlendrian auch auf deutschen Amtsstuben Einzug halten?

Generell stellt sich aber – weltumfassend bzw. Internet-weit – die Frage, welchen Sinn ein Marken- und Namensrecht hat, das offensichtlich in dem Großteil der Fälle nicht mehr zum Schutz eines Unternehmens und seiner Investitionen (für die es gedacht und auch durchaus sinnvoll ist), sondern ausschließlich zur Erzeugung von Umsätzen dient… noch dazu unter einer Auslegung, die ein normal denkender Mensch nie und nimmer verstehen kann … und offensichtlich gehören langsam auch Gerichte zu dieser Gruppe von Menschen, denn diese folgen (glücklicherweise) immer öfter nicht den aus der Luft gegriffenen Behauptungen und verworrenen Denkweisen der Abmahner, sondern entscheiden für die Opfern dieser Melkmaschinerie …

G.Glendown

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