Wie man eine gute Idee vernichtet

Über technischen Fortschritt kann man sich ja wunderschön streiten. Was der eine für unnütz und überflüssig und der nächste für gefährlich hält, findet der dritte für eine wahnsinnig clevere und gute Idee.

Beispiel Bank. Meine Mutter konnte sich nicht vorstellen, wozu man einen Geldautomat braucht – wann braucht man schon außerhalb der Öffnungszeiten der Bank Geld, wenn man seine Ausgaben vernünftig vorplant. Dazu noch ein paar Mark auf Reserve. Fertig. Paßt. Kein Problem.

Irgendwann so vor 8 Jahren offiziell eingeführt, ging Anfangs vieles schief. Obwohl die Geldkarte mit weitaus geringeren Disagio-Abschlägen belegt ist als zum Beispiel eine Kreditkarte oder Electronic Cash, und auch keine komplizierte Authentifizierung notwendig ist (Geldkarten-Guthaben sind genauso „sicher“ wie Bargeld – wenn’s weg ist, ist es weg …), waren die ursprünglich angesprochenen Einzelhändler nur zögerlich in der Aufnahme dieses Zahlungsmittels. Weswegen die Kunden das neue Zahlungsmittel nicht oder nur zögerlich annahmen. Weswegen bei den Händlern nur zögerlich mit Geldkarten bezahlt wurde, was wiederum dazu führte, daß die Einzelhändler nicht mehr zögerlich waren was die Abschaffung des Zahlungsmittel bei ihnen betraf. (eine Bewertung, wer die Henne und wer das Ei ist lass ich jetzt mal lieber)

Folge des geringen Zuspruchs war, daß viele Banken ihre Unterstützung der Geldkarte auch wieder zurückzogen. Bestes Beispiel war ein Erlebnis vor einigen Jahren: Nach dem Wechsesl meiner Bank hatte meine neue Bank zwar die Möglichkeit, die Kontokarte auch mit Geldkartenchip anzufordern. Leider hatte die örtliche Niederlassung aber keine Möglichkeit, den Chip aufzuladen. Somit hätte ich für Ladevorgänge zu einer anderen Bank gehen müssen, was aber zu Ladekosten von ein bis zwei Mark geführt hätte. Ergo nicht sehr interessant. Etwa zwei Jahre später wurde bei der Bank ein neuer Geldautomat installiert. Dieser proklamierte auf seinem schicken Farbbildschirm auch seine Bereitschaft, Geldkarten laden zu können. Also nix wie zum Schalter und eine neue Kontokarte, diesmal wieder mit Chip, beantragen.

Was dann folgte, sei an dieser Stelle nur kurz zusammengfaßt:

„Ich hätte gerne eine Kontokarte mit Geldkartenchip“

„Gerne, moment, ich hole ein Formular … hm, ich finde das ‚Geldkarten‘-Feld gar nicht, da muß ich erstmal nachfragen“

Drei Minuten später:

„Tut mir leid, Sie können jetzt zwar ihre Geldkarte bei uns aufladen, aber unsere Geldkarten wurden wegen fehlendem Kundeninteresse eingestellt“

Klar, was will ein Kunde mit Geldkarte, wenn er sie nicht aufladen kann?

Einige Jahre später hätte sich eben jener Einzelhandel eine Menge Geld sparen können wären die Geldkarten weiter verbreitet gewesen – statt Unmengen Geld in DM und Euro vorzuhalten. Und auch für die Banken wären die Umstellungskosten niedriger ausgefallen. Doch was soll’s, kaum jemand hatte oder wollte die Geldkarte.

Im Rahmen des Jugendschutzes wurde kürzlich eine Regelung verabschiedet, nach der bis 2007 Zigarettenautomten nur noch mittels eine Altersauthentifizierung per Chip zum Ausspucken ihres tödlichen Inhalts bewegt werden dürfen. Dies dürfte dazu führen, daß ein großteil unserer sich selber und das Gesundheitssystem schädigende Raucher sich bei Ihrer Bank schleunigst um eine Geldkarte kümmern werden. Bedeutet das endlich den Durchbruch für das bargeldlose Zahlen?

Gerade heute begab sich folgendes … ungläubig sah ich im lokalen Baumarkt das Schild mit dem zwar bekannten, aber kaum genutzten Logo der Geldkarten. „Soso, die nehmen also Geldkarten“. Also tat ich, was ich in so einer Situation fast immer tue – statt mit Bargeld zahle ich mit Geldkarte (der abermals neuen Bank, die die Geldkarten gerade erst kürzlich wieder eingeführt haben).

Oder genau, ich versuche es.

In diesem Fall mußte die Dame an der Kasse erst eine andere Dame heranrufen …

„Drücken Sie jetzt Zahlung – was war das, 9?“ – (andere Kollegin) „Ja, 9“ – „so, da kommt dann Scheckzahlung. Jetzt nehmen Sie den Beleg und legen ihn ein – wissen Sie den Betrag noch?“ – „Nein“ – (Ich: ) „14,99“ – „Dann drücken Sie ein paar Mal Abbruch“ (drück drück drück – drück drück – drück) „also, 14,99“ (hab ich doch gesagt!?) „das geben Sie nun hier ein“ (Steckt die Karte in das Handgerät, versucht dann den Betrag einzugeben, was nicht geht) „Hm … seltsam“ (zieht Karte nochmal raus, wieder rein, geht immer noch nicht. Dann Karte raus, jetzt kann sie den Betrag endlich eingeben) „so“ (zeigt mir die Anzeige – Glück gehabt, es sind noch 16 Euro drauf 🙂 ) „Hm, wie war das?“ (Ich: ) „Vermutlich jetzt ‚Bestätigen‘ drücken“ (DRÜCK) „so, jetzt noch an der Kasse auf Zahlung drücken, den Beleg nehmen Sie dann statt eines Schecks für die Abrechnung“.

Das Ganze hat in der Summe etwa 5 Minuten gedauert (eher etwas mehr). Seitdem habe ich vermutlich ein paar „Freunde“ mehr auf dieser Welt die sich gefragt haben, warum ich nicht einfach mit Geld bezahlt habe (Samstag vormittags im Baumarkt – muß ich noch mehr dazu sagen?).

OK, es gibt Kassen, die EC- und Geldkarte in ein Gerät integrieren und die die Zahlung sogar schneller schaffen als man Kleingeld und Wechselgeld austauschen kann. Aber so ist das eine schlechte Werbung für die Geldkarte. Wer wartet schon gerne länger als nötig, um sein schwer verdientes Geld loszuwerden? Und selbst wenn das Kassensystem (noch) nicht auf Geldkartenzahlungen ausgelegt ist, warum sind die Mitarbeiter nicht ausreichend geschult, die Zahlung entgegenzunehmen? (mal davon abgesehen, daß die Kassierin für die Freigabe einer „Scheckzahlung“ zunächst den Schlüssel der Schichtleiterin braucht, was die Zahlung auch nicht beschleunigt). Siicher, es ist lobenswert, daß ein Händler sich dazu aufrafft, Geldkartenzahlungen anzubieten, aber bitte dann doch mit etwas mehr Enthusiasmus und Qualität … 😉

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