Spielen Sie mit! Hier können Sie nur verlieren…

Es scheint ein ungeschriebenes Gesetz der Savanne zu sein, dass die einen, die Schwachen, das Futter sind und die anderen, die Starken, die Futterverwerter…

Gewinnspiele gab es immer. Meine Mutter hat mir einmal erzählt, dass sie in den sechziger Jahren immer das Preisrätsel einer großen Frauenzeitschrift mitgemacht hat. Dort konnte man als Hauptpreis zum Beispiel eine Orangenpresse (Handbetrieb) oder einen Sahneschläger (Handbetrieb) gewinnen. Tja, unsere Altvorderen hatten noch hehre Ziele.

Heutige „Preisrätsel“ sind weit weg von jeglicher Handarbeit: Ein Porsche hier, ein 20 Zoll- Plasmafernseher dort, eine 14-tägige Reise in die Karibik, natürlich First Class links, eine Million Euro in Goldmünzen rechts – natürlich alles im Fernsehen. Das Glück lacht und ist dem hold, der wagt. Sollte man meinen…

Die Frage ist nur, was man dafür machen muss. Gehen wir noch einmal zurück in die Zeit, als meine Mutter sich in den Sahneschläger (Handbetrieb) verguckt hatte: Das Kreuzworträtsel enthielt zwar Standardfragen des deutschen Nachkriegswissens (Naumburger Domfigur mit drei Buchstaben), aber man hatte die Chance, mit dem Einsatz von einem bisschen Gehirnschmalz seine Küchengeräte zu erweitern. Zum Beispiel um einen… Sie wissen schon.

Für heutige Preisrätsel brauchen Sie nur einen Einsatz: Machen Sie sich zum Affen. Zeigen Sie Ihr verstecktes, Ihr geheimes Gesicht. Wenn der Moderator der Sendung sagt „Spring!“ – zögern Sie nicht, klettern Sie auf das höchste Haus der Stadt und springen Sie. Den Porsche kriegt dann zwar Ihre bucklige und erbende Verwandtschaft, aber Dabei sein ist alles.

Auch im Radio macht sich diese Unsitte breit. Bestes Beispiel ist die samstag vormittags laufende Sendung auf „Hit Radio FFH“, dem berühmten hessischen Sender für lange Werbeeinblendungen und kurze verkrüppelte Hits á la „Last Christmas“ (wir empfehlen die weitere Lektüre von Antifan.de) oder die öfters anklingenden Hits von Robbie Williams (dito).

Der Witz ist nun der, dass es in dieser Gewinnshow per Radio gar nicht mal um Porsche, Millionen oder Karibik geht, sondern „nur“ um 100, 200 oder 300 Euro. Allerdings muss man bereit sein, den berühmten Affen vom Stapel zu lassen. So kann es passieren, dass man – nur um 100 Euro zu ergattern – schon mal Bierflaschen wie ein Geisteskranker mitten in einem Getränkeshop durchschüttelt, um sie dann mit einem Ruck zu öffnen. Was ansonsten nur alkoholabhängige Mittelschüler mit leichtem Pisa-Defizit problemlos schaffen, muss an dieser Stelle eine bisher unbescholtene und bar jedes Eintrags im polizeilichen Führungszeugnis lebende Hausfrau und Mutter durchführen. Wahrscheinlich wurde sie von ihren halbwüchsigen Kinder dazu gezwungen, um endlich die Anzahlung für die beiden Game Boys Advanced im Spielzeugladen zu leisten.

Besagte Hausfrau schüttelt also die besagte Flasche Bier, dessen Sorte leider unbekannt aber auch nicht von Wichtigkeit ist, und öffnet den Kronkorken mit einem Ruck – genau in der Nähe der Kassiererin des Shops. Gewonnen, 100 Euro. Zwar klebt der Gerstensaft im Umkreis von sieben Metern an allen hervorstehenden Teilen inklusive der Zuschauer, die sich diesen Spass nicht entgehen lassen wollten, aber immerhin. 100 Euro für das bisschen Arbeit… da muss ein alter Autor lange für tippen.

Nicht, dass ich den Leuten ihre 100 Euro nicht gönne. Aber was kommt als nächstes? Herumschleudern einer vollen Windel in der Apotheke? Das Platzen lassen von 10 vollen Kotztüten während des Fluges Mallorca – Düsseldorf? Das Ausschütten eines Rohrreinigers in das Trinkwasser-Reservoir einer mittleren Kleinstadt?

Wir sind alle auf der Suche nach ein wenig Glück und Reichtum. Mein Vater spielt jede Woche Lotto, genau so lange, wie es Lotto gibt. Einmal hat er 5000 DM gewonnen, da hat er sich gefreut, als ob er die Million oder die Karibik in den Sack gesteckt hätte. Ich selbst habe beim Preisrätsel der Zeitschrift „Stern“ eine Cappuccino- und Espresso-Maschine im Wert von 180 Euro gewonnen. Wahnsinn – sie steht eingemottet in der Ecke, weil es sich nicht lohnt, für eine Tasse Cappu fast 300 Watt zu verblasen. Aber ich war glücklich. Dafür verzichte ich gerne darauf, den Clown zu spielen, und wenn es 20 Cappu-Maschinen gibt.

Was würde eigentlich passieren, wenn mal keiner Lust hat, eine Bierflasche zu sprengen? Oder sich von oben bis unten mit klebrigem Backteig einschmieren zu lassen? Oder in seinem teuren 800 €-Anzug in eine Baugrube mit 4000 Kubikmeter reinen Matsch zu springen? Es wäre sicherlich interessant zu sehen und zu hören, wie Radio- und Fernsehmoderatoren diese Panne überspielen. Wahrscheinlich mit „Last Christmas“ oder Robbie Williams, aber das ist immer noch besser als das Geschrei und Gejohle der umstehenden Beifall klatschenden Abzockspanner, die sich bei solchen „Events“ immer gleich in Scharen einfinden.

Liebe Leute – wenn demnächst mal wieder irgendein Sender von Euch etwas verlangt, dass Euch in die Nähe von gehirnamputierten grenzdebilen Kulturfolgern machen möchte – sagt doch einfach mal „Nein!“ Diese kleine Wörtchen unserer schönen deutschen Sprache, mit dem sich so klar und treffsicher jeder von geistigem Durchfall abgrenzen kann. Das wäre echt mal ein Fortschritt – auch wenn 100 Euro weniger in der Tasche sind.

„Was für ein niedliches Ding, wie es sich mühsam abstrampelt, um meine Gunst zu erringen…“, dachte der Löwe und biss dem Lamm den Kopf ab.

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