Reflex-Reaktionen – wie erwartet

Je Suis CharlieMan hätte sein Uhr danach stellen können. Kaum passiert (nach langer Zeit) mal wieder etwas, und das noch nicht einmal in Deutschland, und schon kommen deutsche Politiker wieder aus ihren Löchern mit Forderungen nach der VDS (Vorratsdatenspeicherung). Es reicht ja noch nicht, daß sowohl deutsche und europäische Judikative der VDS eine Absage erteilt hat. Nein, nach dem schrecklichen Anschlag in Paris kommen die Innen- und Rechtsexperten der CSU zu dem Schluß, daß man das deutsche Volk nur mit diesem technischen Mittel vor Terroristen schützen kann.

Hallo, geht’s noch?

Kann es sein, daß ihr euch mit eurer Reflex-Reaktion mal wieder selber in beide Füße geschossen habt? Zur Info – falls nicht bekannt: Frankreich hat die VDS bereits im Januar 2006 eingeführt, und das mit einer Speicherfrist von 12 Monaten, also doppelt so lange wie beim deutschen „Versuch“. Und? Was hat es den Mitarbeitern von Charlie Hebdo und den beiden Polizisten, die Opfer des Anschlags geworden sind, gebracht? Genau so viel, wie richtige Experten vorhersagen:

Nichts.

Dafür gibt es viele Gründe, die zumindest für logisch denkende Menschen leicht nachvollziehbar sind, darunter diese:

  • Die VDS umfaßt „nur“ Meta-Informationen, keine Inhalte; damit können zwar umfangreiche Profile von Kontakten aufgebaut werden, aber ableiten, was kommuniziert wird, kann man daraus nicht. Mal ganz davon abgesehen, daß bereits nur mittelmäßig intelligente Täter sicherlich Daten verschlüsselt austauschen würden, die auch in 1000 Jahren noch nicht geknackt werden könnten.
  • Die VDS ist als Präventiv-Maßnahme nicht geeignet. Nicht zuletzt wegen nicht vorhandener Inhalte. Aus den Meta-Daten, die noch dazu ja dezentral bei unterschiedlichen Kommunikationsunternehmen auflaufen, kann man nicht so korrelieren, daß man aus einer Masse Unschuldiger (die geschätzt >99.999% der Daten verursachen) irgendwelche Gefährdungspotentiale ableiten.
  • In Fortsetzung des letzten Punktes macht schon die schiere Masse der zu verarbeitenden Daten eine präventive Verarbeitung unmöglich. Schon jetzt klagt die Justiz über stets zunehmende Datenmengen in Ermittlungsverfahren, die eine effiziente, zeitnahe Analyse und Verarbeitung erschweren oder teils sogar unmöglich machen. Würde das gesamte Kommunikationsaufkommen aller Bürger dieses Landes – wie es sich einige Politiker und Polizeivertreter wünschen – erfaßt und zusammengeführt, käme Minütlich ein riesiger Datenberg zusammen. Und das schon dann, wenn NUR die Metadaten (also zB wer ruft wen an, wer schickt wem eine E-Mail, wer ruft welche Webseiten auf) erfaßt werden.
  • Die Auswirkungen von „false Positives“, also der fehlerhaften Einstufung einer unschuldigen Person als z.B. Terror-Verdächtigem, wären angesichts der allgemeinen Hysterie insbesondere nach Anschlägen untragbar – darunter würden dann dank umfangreicher erfaßter Kommunikations-Kontakte viele weitere Unschuldige bis in die dritte, vierte oder noch weitere Ebene ebenfalls leiden. Und selbst für den Fall daß wider Erwarten doch einmal ein Verdächtiger wirklich als Straftäter auffällig wird – welche Auswirkungen hat dies auf die alltäglichen Kontakte? Kontakte, die wiederum zu einem sehr hohen Prozentsatz unschuldig sind? Muß man sich plötzlich rechtfertigen, weil man mit jemand telefoniert hat, dessen Webseite durch jemand aufgerufen wurde, der eine Mail von einem Straftäter erhalten hat?

Eine auch nur ansatzweise sinnvolle präventive Auswertung würde voraussetzen, daß zumindest schon der Ansatz eines Verdachts vorliegt, auf Basis dessen man die anfallenden Daten auswerten könnte – doch besteht in einem solchen Fall auch ohne die Einführung der VDS gegen alle Bürger des Landes schon die Möglichkeit, auf Kommunikationsdaten von Personen zuzugreifen – allerdings rechtsstaatlich korrekt nach Prüfung durch ein Gericht, und ohne daß die Privatsphäre von 80 Millionen Personen dieses Landes de fakto aufgelöst wird.

Zuletzt muß man natürlich auch noch ein Wort zu den anderen intellektuell beeinträchtigten Menschen verlieren … gefühlt waren die ersten Informationen zu dem Anschlag in Paris nicht mal fertig durch, als aus der Ecke der PREGIDA¹  erste Stimmen kamen, die ihre Meinung zu Islamisten bestätigt sahen. Nein, ihr rassistischen Arschlöcher. Nur weil in Frankreich zwei Idioten 12 unschuldige Menschen umgebracht haben sind die paar Moslems in Deutschland und Europa nicht automatisch Terroristen!

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¹ ich weigere mich, diese Bewegung von rechten Dumpfbacken und „ich bin ja nicht rasistisch, aber“ Mittläufern als „patriotisch“ anzusehen und zu bezeichnen. Deswegen heißen die bei mir ab sofort nur noch REGIDA. Rassistische Eierköpfe gehören in den Abfall. Den Begriff stelle ich hiermit unter Public Domain, die Benutzung ist ohne Lizenzkosten oder vorherige Freigabe durch jeden erlaubt und erwünscht.

 

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