Gestern ging es durch die Presse. Die CSU ließ verlauten, daß die Strafen für Verstoß gegen §166 des StGB zu verschärfen. Gut, ich bin kein Rechtsanwalt, und da ich mich selten mit dem StGB beschäftigen muß, war mir an der Stelle recht neu, daß Deutschland – das ja offiziell eine Trennung von Kirche und Staat hat (jaja, ich weiß …) – überhaupt so ein Gesetz über Glaubensbekenntnisse hat.
(1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.
(d.h. Kirchen im Ausland darf man beschimpfen? Gut zu wissen …)
Daß die Ereignisse von Paris natürlich den Zielen der Terroristen folgen würden, nämlich Tendenzen zu weniger Freiheit und Privatspähre haben, war klar, denn das ist ja die generelle Lösung für kurzsichtige, engstirnige Politiker. Daß aber deutsche Politiker genau das fordern, was die Terroristen mit ihrer menschenverachtenden Tat und extremen Mitteln vorgemacht haben, ist nicht nur erschreckend, sondern auch ein Schlag in’s Gesicht der getöteten Mitarbeiter von Charlie Hebdo. Mitarbeiter und Journalisten, die sich im sicherlich humoristisch und satirisch mit vielen Themen, darunter auch den Religionen, auseinandergesetzt haben. Doch wer die Tat von Paris verurteilt, weil sie gegen Meinungs- und Redefreiheit agiert, kann sich nicht umdrehen und solche antiquierten Gesetze vertreten oder noch verschärfen wollen.
Oder mal anders herum gesprochen: Wieso werden die Teilnehmer an den Pegida-Demonstrationen eigentlich nicht wegen Verstoß gegen diesen Paragraphen belangt? Immerhin scheint es mir, als würde genau das, was dort angesprochen wird, von den Demonstranten getan. Ein Glaubensgruppe wird pauschal verurteilt, die Parolen und Behauptungen, die aufgestellt (und nachweislich inhaltlich falsch sind) dienen dazu, den öffentlichen Frieden zu stören. Punkt. Also, lieber Staatsanwalt, liebe Polizei, ab nach Dresden und dieses ganze rasistische Pack was dort aufläuft abführen und vor den Richter, Tateinheit Verstoß gegen §166 StGB.
Ach, wie, das ist Meinungs- und Demonstrationsfreiheit? Wie jetzt?
Klar, die Intention des Paragraphen ist sicherlich vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte nachvollziehbar. Aber gibt es nicht wirklich genug Handhabe gegen reale Straftaten, daß man den Schutz einer immateriellen höheren Macht – gleich welcher Coloeur – im Gesetzestext aufnehmen muß? Und wo zieht man die Grenzen? Klar, die großen Religionen – Christen, Juden, Moslems, Hindus – fallen einem sofort ein. Aber was ist mit Splittergruppen, die mehr oder weniger umstritten sind, wie zum Beispiel Scientologen? Oder was ist mit dem fliegenden Spaghettimonster? Und wenn wir schon die Gefühle und Meinungen von Religionsanhängern gesetzlich schützen, was ist mit anderen Bereichen des Lebens, in denen sich Personen durch Meinungen anderer beleidigt fühlen? Werden hier nicht religiösen Gruppen (von denen der Staat lt. des Gleichheitsgrundsatzes keine bevorzugen sollte) Vorteile gewährt, die Personen und Vereinigungen mit nicht-religiösen Hintergründen verweigert werden?

Länder mit Gesetzen gegen Gotteslästerung
Nun, die Wahrscheinlichkeit, daß §166 entschärft oder gestrichen wird, ist trotz der entsprechenden Forderungen von Grünen und FDP sehr unwahrscheinlich, da alle anderen Parteien immer noch der Meinung sind, daß ein allmächtiger, allwissender und allgegenwärtiger Gott den Schutz seiner Gefühle durch irdische Gesetze nötig hat. Anderswo gibt es dagegen sinnvollere Entwicklungen.
In Irland, einem erzkonservativen, hauptsächlich katholischen Land enthält die Verfassung einen Paragraphen, nach dem gotteslästerliche Äußerung den Gesetzen entsprechend bestraft werden („The publication or utterance of blasphemous, seditious, or indecent matter is an offence which shall be punishable in accordance with law.“, §40 6.1 i). In dem seit 1855 einzigen Fall, einen Verstoß hiergegen zu verfolgen, fand das Oberste Gericht 1999 jedoch, daß die Definition von Gotteslästerung schwierig sei, und daß es nicht die Aufgabe des Staates wäre, als Vermittler zwischen den Religionen aufzutreten. Seit 2009 gibt es verstärkt Bemühungen, den Paragraphen komplett zu streichen (nach Umfragen sind 64% der Bevölkerung dafür), vor dem Hintergrund des Anschlags in Frankreich mehren sich die Stimmen, dies jetzt und im Andenken an die Opfer zu tun.
In einer aufgeklärten und (größtenteils) technisch und wissenschaftlich geprägten Zeit und Gesellschaft ist sinnvoll zu fragen, ob es nicht langsam notwendig wäre, religiöse Hintergründe und Verknüpfungen komplett aus dem staatlichen Bereich herauszunehmen. Während der deutsche Staat ja die Trennung von Staat und Kirche propagiert, bezieht sich diese Trennung eher einseitig auf das Verhältnis – der Staat hält sich gesetzlich garantiert aus den inneren Angelegenheiten der Kirchen heraus. Andererseits profitiert die Kirche aber vom Verwaltungsapparat des Staates sowie diverser Vorteile, die den Kirchen gewährt werden. An vorderster Stelle sind dort Dinge wie die Kirchensteuer zu nennen, welche vom Staat abgerechnet und eingezogen und den Kirchen überwiesen wird, aber auch daß das „Wirtschaftsunternehmen“ Kirche einerseits seine Gewinne nicht versteuert, andererseits die Gehälter von kirchlichen Würdenträgern vom Staat aus Steuermitteln bezahlt werden (allein in 2010 fast eine halbe Milliarde Euro). Und zusätzlich werden Spenden an die Kirche auch noch steuermindernd anerkannt, senken also die Einnahmen des Staates. Soviel zu Trennung von Kirche und Staat …
Surprising news out of Bavaria – NOT!
Yesterday saw reports in German media – the German „CSU“ party mentioned that they would like to increase punishments for transgressions against article 166 of the German criminal code. OK, I’m no lawyer, and having had no reason to read the criminal code too often yet, I didn’t even know that Germany (which officially has a division of state and church) had such a law around religions.
The law reads something like this:
(1) Whoever publicly or by distributing in written word, insults confessions of religious or world view of other people in a way that may disturb public order can be punished with up to three years jailtime or fine.
(2) In the same way will be punished, who publicly or by distributing in written word, insults a domestic church, denomination or world view’s society (sorry, hard to translate), their institutions or customs, in a way that may disturb public order.
(Oh, so non-domestic churches I may still insult? Good to know)
That the events in Paris would result in something to the liking of terrorists, namely tendencies to less freedom and privacy, was to be expected, as this is the general solution for short-sighted, small-brained politicians. But that German politicians would demand exactly what the terrorists themselves have demonstrated with their inhuman and extreme deed is not only alarming, but also a slap in the face of the murdered journalists of Charlie Hebdo. Journalists who have no doubt published humoristic and satirical articles and drawings about many topics, among them religions. But whoever dares to condemn the attack in Paris, because it goes against freedom of thought and speech must not turn around and stand for such laws or even demand making them even stricter.
Of course, one could demand something else: Why aren’t people that take part in the Pegida demonstrations prosecuted because of that law? After all it seems as if everything that is listed in the details could be construed as being against it. A denomination is put under general suspicion, paroles and claims are made (which are easily proven wrong) are more than able to disturb public peace and order. So, dear attorney general and police, head out to Dresden and grab that racist bunch marching around there and get them in front of a judge for breaking §166 StGB …
Oh, what, they are practicing freedom of speech? Or what?
The intentions of that paragraph are comprehensible given the German history. But aren’t there enough laws against real transgressions that apply without the need of protecting an immaterial higher power – whatever type – by earthly laws? And where are the limits? Sure, the great religions like Christianity, Judaism, Islam, Hinduism are covered. But what about splinter groups who may be controversial, as e.g. Scientology? Or what about the church of the flying spaghetti monster? And if we protect the feelings and opinions of members of religous groups, what about other areas of life, where people may feel offended by others? Aren’t religions favored over other people, leading to an inequality (which the state should protect all of its citizens from) by providing advantages that they do not provide to non-religous people?

Countries with laws against blasphemy or apostasy
Well, the probability of §166 being alleviated or dropped is rather minimal, even though the Green Party and FDP are demanding this, as all other major parties still feel that an allmighty, omiscient and omnipresent god requires its feelings protected by earthly laws. In other places, there are more sensible trends.
In Ireland, a very conservative, mainly catholic country the constitution contains a paragraph outlawing blasphemy („The publication or utterance of blasphemous, seditious, or indecent matter is an offence which shall be punishable in accordance with law.„, §40 6.1 i). In the only case since 1855 that tried a transgression, the supreme court found in 1999 that defining blasphemy was difficult, and that it wasn’t the job of the state to operate as arbiter between the religions. Since 2009 the attempts at getting the law retracted have increased (polls state some 64% of the people are for dropping the law), with the events in Paris the voices to do this now as a remembrance of the victims.
In an enlightened and (mainly) technically and scientifically shaped time and society it should be discussed whether it isn’t long overdue to drop all religious background and links out of gouvernment and state. While the German state claims to have a division between state and church, this division only works in one way – the state isn’t permitted by law to influence the church. On the other hand the church(es) profit from the administrational services of the state as well as multiple other advantages which are provided to the church. Primarily, these are things like church taxes, which are collected by the state and forwarded to the churches, but also that the „enterprise“ church operates without taxation of their profits, on the other hand salaries of church dignitaries are paid by the state out of taxes (in 2010 those salaries added up to almost 500 million Euros). Additionally, donations to the churches reduce the taxable income of individuals and institutions, further reducing the state’s tax income. So much for division of church and state …