Seit mehreren Jahren laufen bereits die weitestgehend geheimen Verhandlungen – TTIP, kurz für „Trans-atlantic Trade and Intellectual Property agreement“ soll den Freihandel zwischen den USA und Europa neu regeln. Doch während der Begriff „Freihandel“ recht harmlos und positiv klingt, sind die bisher zu Tage gebrachten Parameter alles andere als.
Sicherlich, entfallende Zölle machen den Handel einfacher (und teilweise möglicherweise günstiger), mit dem Ergebnis, daß die Politik mit einem zusätzlichen Wachstum der Wirtschaft rechnet (immerhin 0.05% werden erwartet … also weniger als mimimal …). Doch sind es die sonstigen Regelungen, die in vielen Fällen nicht zum Wohle der Bürger oder Länder sind, sondern vor allem den Interessen großer Firmen rechnung tragen. Mit dem Ergebnis, daß eine Firma einen Staat verklagen kann, wenn rechtliche Rahemnbedingungen real oder gefühlt zu Einnahmeverlusten führen. Doch das ist noch nicht alles – die Verhandlung über die Themen finden nicht etwa vor einem richtigen Gericht statt, sondern Schiedsgerichten, die mit jeweils drei Juristen (die keine Richter sind) besetzt sind. Schlimm genug? Nicht ganz, die Verhandlungsergebnisse sind nicht nur bindend, sondern auch noch nicht-öffentlich.
… und zu alle dem muß man dann von Sigmar Gabriel als „hysterisch“ bezeichnen lassen, weil man als kritischer Deutscher inhaltlich mit TTIP und seinen Auswirkungen auseinandersetzt und zu dem Ergebnis kommt, daß die vermeintlichen „Vorteile“ die Nachteile nicht aufwiegen.
Herr Gabriel, geht’s noch?
Mal ein Vorschlag, Herr Gabriel: Schauen sie sich doch mal an, was weltweit abgeht – und zwar im Zusammenhang von Tabak-Konzernen und Anti-Raucher-Gesetzgebung abgeht.
Dazu ein wenig Hintergrundinfo … vor dem Hintergrund neuer Erkenntnisse im Bereich der Forschung zu Rauchen und den gesundheitlichen Folgen begannen die USA in den 70ern, die Tabak-Industrier und den Verkauf von Tabak-Produkten immer stärker zu reglmentieren. Als Folge fiel die Rauerrate bis heute immer weiter (von 48% in 64 auf derzeit ca. 18% in 2014). Als Folge dieser Regelungen zogen sich einige Konzerne aus dem amerikanischen Markt zurück – und beackern statt dessen international Märkte, in denen die wirtschaftlichen Voraussetzungen für sie besser sind – sprich, weniger Reglementierung vorliegt. Und sollte ein Land wagen, dies zu ändern – genau, dann wird dagegen geklagt. Zum Glück aber vor regulären Gerichten.
Ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit. In Australien wurden die gesetzlichen Regelungen sehr stark verschärft, mehr noch als in Deutschland. Mit der Folge daß Zigarettenverpackung mehr oder weniger Neutral gestaltet sind, zu zirka 80% aus Warnhinweisen und Schock-Fotos bestehen, und die eigentliche Marken nur noch als kleiner Text aufgedruckt werden dürfen.
Insbesondere einer Firma hat das gar nicht gefallen (nun, vermutlich allen bekannteren Marken nicht), nämlich Philip Morris. Diese hat folglich Australien in 2012 verklagt, und zwar – welche Überraschung – auf Basis eines Freihandelsabkommens zwischen Hong Kong und Australien aus den 90er Jahren. Zu diesem Zweck wurde etwa 9 Monate vor der Klage das Asien-Geschäft an die Hong Kong Niederlassung von PMI (Philip Morris International), nämlich PMA (Philip Morris Asia) übertragen.
Als Grund für die Klage wurde die „Beschlagnahme von Eigentum“ angebracht, da durch die Pflicht zur neutralen Verpackung die Marke nicht mehr gewinnbringend eingesetzt werden konnte, was natürlich zu Einbußen führt. Glücklicherweise befand das Gericht aber im August 2012, daß die Reglementierung nicht gegen die Australische Verfassung verstößt, und auch keine Eigentumseinschränkungen vorliegen. Als kleiner Bonus befand das Gericht auch noch, daß Philip Morris zusätzlich zu den Gerichtskosten auch die Kosten für die Verteidigung übernehmen mußte.
Unabhängig davon haben aber drei Staaten Australien vor der Welthandelsorganisation WTO verklagt – darunter übrigens die Ukraine – weil die Regelungen den Handel einschränken. Interessanterweise findet zwischen der Ukraine und Australien überhaupt kein Tabakhandel statt …Honi soit qui mal y pense …
Nettes Beispiel, aber Einzelfall? Bei weitem nicht … eben jene Philip Morris geht auch gegen Urugay vor, welche die Gesundheitswarnungen auf Verpackungen ebenfalls verstärkt haben. Diesmal übrigens auf Basis eines Abkommens zwischen der Schweitz und Urugay – und diesmal hat sich PMI in die Schweitz verlegt, um das Abkommen nutzen zu können. In diesem Abkommen ist festgehalten, daß multinationale Unternehmen einen Staat verklagen können, wenn gesetzliche Regelungen zu Gewinneinbußen führen. Na, kommt uns das bekannt vor? Richtig, solche Vorkehrungen enthält auch das TTIP!
Zusätzlich zu den rechtlichen Auseinandersetzungen versuchte PMI aber auch, anderweitig Druck aufzubauen, so wurde zum Beispiel eine Tabak-Fabrik in Urugay geschlossen, die 40 Mitarbeiter gekündigt. Von diesen wurden aber – oh welche Ironie – 8 vom Staat zur Unterstützung von Anti-Rauchen Kampagnen angestellt, die anderen fanden anderweitig neue Jobs.
Doch wer meint, das wäre es schon – weit gefehlt. Auch in anderen Ländern weltweit läßt Philip Morris seine Muskeln spielen. So zum Beispiel 2013 im kleinen Afrikanischen Land Togo. Nachdem die „üblichen“ Warnhinweise auf den Packungen hier wenig Erfolg brachten – bei 40% Analpheten nicht wirklich überraschend – sollten auch hier Schockfotos abhilfe schaffen. Daraufhin schickte PMI ein Androhung von rechtlichen Mitteln an Togo, interessanterweise mit Hinweis auf die Australische Rechtsprechung, und dort den einen von 7 Richtern, der sich auf die Seite von PMI gestellt hatte – unterschlug aber die Tatsache, daß sie den Rechtstreit mit Pauken und Trompeten verloren hatten. Angesichts der Tatsache, daß Togo mit einem Bruttosozialprodukt von gerade mal etwa 4.3 Milliarden Dollar nicht wirklich gut gegenüber einem Unternehmen mit einem Jahresgewinn von etwa 80 Milliarden Dollar da steht, wurden die Pläne zu der Verschärfung eingestellt.
Ähnliche Aktionen laufen übrigens auch von anderen Firmen gegen andere Länder.
Und genau so etwas wird Deutschland und Europa auch bevorstehen, wenn TTIP verabschiedet wird. An der Zeit, sich an Kampagnen gegen TTIP zu beteiligen … und vielleicht wäre auch ein nicht hysterischer, aber sachlicher Brief an unseren lieben Herrn Gabriel hilfreich … nicht daß er sich als Volksvertreter aufführt, aber vielleicht reicht es als Erinnerung, wen er eigentlich vertreten SOLL!